Karl-Heinz Knoedler - Ein Porträt von Wolfgang Nußbaumer
Porträt Karl-Heinz Knoedler
erschienen in der Schwäbischen Post / Ostalb-Kultur am 20.5.2023
Der Ellwanger Maler Karl-Heinz Knoedler war ein künstlerischer Berserker. Unbändiger Schaffensdrang hat ihn getrieben, bis eine schleichende Krankheit ihm die Kraft aussog. Ein Berserker der Palette und von allem, was ihm geeignet schien, von seinen wissenden Fingern in kunstvolle Form gebracht zu werden. Grenzenlos neugierig auf die Möglichkeiten des Materials und auf jene der Welt. Voll Experimentierfreude. Voller Emotion, aber immer auf die innere Harmonie bedacht.
Am Anfang stand für den gebürtigen Ludwigsburger nach Krieg und Gefangenschaft der Gegenstand, die Figur. Unverkennbar schon hier die sichere Beherrschung des Handwerks, der kraftvolle Strich, die weit gespannte Palette, das Wissen um die Proportion. Damals schon, 1951 bei einer Ausstellung in Paris, wo sich seine Arbeiten in solch illustrer Gesellschaft wie Werken von Braque, Beckmann, Marc, Picasso und seines damaligen Lehrmeisters Fernand Léger befanden, erkannte ein Kritiker im Schaffen des deutschen Expressionisten Knoedler „das Faustisch-Kosmische unserer Zeit“.
Mitte der Fünfzigerjahre entstanden in Ellwangen, wo Knoedler seit 1953 wohnte, herzerfrischende südliche Landschaften. Sie künden von seiner Lebensbejahung, ja, seiner Liebe zur Schöpfung, zum Schönen. Von seinem unverwüstlichen Optimismus, der ihn sein Künstlerleben lang am Prinzip Hoffnung festhalten ließ.
In den Sechzigerjahren entledigt sich Karl-Heinz Knoedler der formalen und inhaltlichen Fesseln des Gegenstands. Die neu gewonnene Freiheit lebt er in orgiastische Farbfesten aus. Unverkennbar setzt die Farbe auf ihre Autonomie. Gleichzeitig beginnt der Künstler seriell zu arbeiten, wie seine von einer Romreise 1963 inspirierten schwarzweißen Impressionen zeigen.
Zunächst aber führt den Maler sein Weg in die Abstraktion auf die Pfade der konkreten Kunst. Parallel zu seinen großen Betonarbeiten im öffentlichen Raum widmet sich Knoedler mit großer Akribie reinster Hard-Edge-Malerei. Ab Mitte der Siebzigerjahre hat er die Möglichkeiten ausgereizt, farbformale Beziehungen auf der Leinwand auszuloten. Die Signale der Welt verlangten nach einem anderen künstlerischen Echo. „Die phantastische Welt der Zeichen, Symbole und human engagierten Signale ist für ihn charakteristisch geworden“, hat der Kunsthistoriker Prof. Hermann Baumhauer konstatiert.
Mit ihr begleitet er fortan die real existierende Welt, als Kommentator, als Mahner, als Visionär im Sinne Hebbels, der die Kunst „das Gewissen der Menschheit“ genannt hat. Im Grunde sind es alles Landschaften, in denen er sich zum Fürsprecher der Schöpfung gemacht hat, Seelenlandschaften eines Planeten, in dessen Schönheit, mehr aber noch in dessen Verwüstungen sich der Umgang der Menschen mit ihm und mit ihresgleichen widerspiegelt.
Während anderen die Vision von einer multikulturellen Gesellschaft Albträume verursachte, war sie für diesen ruhelos Neugierigen die schiere Selbstverständlichkeit, sollte das Raumschiff Erde nicht verglühen. Knoedler wusste um das Elend, er sah das Schreckliche - und setzte dagegen das Prinzip Hoffnung.
Karl-Heinz Knoedler, dieser rastlose, kreative Geist, hat ein kaum mehr überschaubares Werk hinterlassen. Es umfasst nicht nur die Malerei im kleinen und großen Format, sondern eine Fülle von formal vielfältigen plastischen Arbeiten mit unterschiedlichsten Materialien, die öffentliche Räume und private Behausungen schmücken, Glasfenster, Emailarbeiten, Schmuck und Brunnen.
Einer steht vor dem Palais Adelmann in Ellwangen. Gekrönt von einer Lilie hält der schlanke Brunnen draußen vor der Tür Zwiesprache mit dem barocken Baukörper des Palais’. Brunnen und Bau markieren einen Platz zum Flanieren, zum Schauen, zum Plaudern, historisch und urban, großzügig und zugleich intim. Ein Platz, in dessen Flair und Architektur die Seele Karl-Heinz Knoedlers Eingang gefunden zu haben scheint. Der Geist eines urbanen Charakters, dem die Natur am Herzen lag, ein Mann des großen weltläufigen Entwurfs, der die Heimat liebte. Fähig, Riesenprojekte zu schultern und Freunde mit hinreißen Miniaturen zu beglücken. Streitbar und verletzlich, gesellig und scheu, ein Lebensbejaher, dem das Endliche in allem Respekt selbstverständlich war - eben ein melancholischer Optimist.
Wolfgang Nußbaumer